Eröffnung des sanierten Parlamentsgebäudes

Martina Sumper-Scheiber

Zeitgenössische Kunst im Parlament 

Mit der Renovierung des Parlaments wurde heimische zeitgenössische Kunst in die Architektur von Theophil Hansen implementiert. "Wir Österreicher verstehen uns als eine der großen Kulturnationen, und das sollte sich widerspiegeln", sagt der mit der Umsetzung betraute Hans-Peter Wipplinger der APA. Es sollte kein alleiniges Schwelgen im Historismus sein. Die ausgewählten Werke schlagen tatsächlich in der architektonischen Fülle des 19. Jahrhunderts die Brücke in die Gegenwart.

Beeindruckend ist etwa die Arbeit von Eva Schlegel, die je acht Spiegelscheiben, 140 Zentimeter vom Durchmesser, an zwei von der Decke hängenden Seilen im Vestibül über eine Höhe von 17 Metern so angeordnet hat, streng symmetrisch wie bei Hansen, dass Details des Raumes darauf sichtbar werden, wobei sich bei jedem Schritt über die Stiege die Perspektive verändert. "Schlegel dekonstruiert den Raum, nimmt ihm aber nicht die Pracht", betont Wipplinger. Die Herausforderung sei gewesen, den Vorgaben des Denkmalschutzes zu entsprechen, nur ein kleines Loch sei in die Decke gebohrt worden. 
Spiegelskulptur von Eva Schlegel. APA/Techt
Viel wurde über das im Empfangssaal platzierte vergoldete Klavier diskutiert. Hier ziehen aber auch vier Bildtafeln in Blau, Indigo, Türkis und Violett (als Referenz an den so genannten Blauen Salon) von Heimo Zobernig Aufmerksamkeit auf sich. Geht man dran vorbei, verändert sich die Farbwirkung, bewirkt von in die Farben eingemischten Kristallplättchen. Die Höhe der Tafeln von 2,70 Meter entspricht der durchschnittlichen Höhe einer Wiener Wohnung. Wenn man die Tafeln zum Quadrat zusammensetzt, erhält man eine durchschnittliche Wohnungsgröße. "Seine Arbeit ist daher auch gesellschaftlich sozial analytisch", führt Wipplinger aus.
APA/Techt
Ein früheres Besprechungszimmer ist zu einem Reflektorium geworden. Erwin Bohatsch wurde um eine dazu passende Zusammenstellung von Gemälden gebeten. Seine vier Bilder an den Wänden haben dem entsprechend etwa Leichtes, Luftiges und nicht Figuratives mit ablenkender Wirkung. Hier soll es laut Wipplinger "nicht laut, sondern zurückhaltend zugehen". Auch Bohatsch' "fast meditative Arbeitsweise", bei der Schicht über Schicht gesetzt wird, entspricht der Raum-Intention von Ruhe und Reflexion.
APA/Techt
Martina Stocker gestaltete eine Wand in einem der neu geschaffenen Stiegenhäuser mit der durchgehenden grafischen Arbeit "Galaxie", aufgetragen mit Schablonen bzw. im Abklebe-Verfahren. Der Leitgedanke bezieht sich dabei "auf Offenheit, Freiheit und die ergänzende Zusammengehörigkeit von Einzelelementen und Gruppen", heißt es im Projektfolder.
APA/Techt
Auf einer nach dem Umbau begehbaren Terrasse steht, im Blickfeld der "Hitler-Balkon" der Hofburg, eine Texttafel von Heimrad Bäcker, auf der Orte vermerkt sind, die für Juden im Nationalsozialismus als Ausflugsgebiet verboten waren. Ebenfalls zu sehen sind dort der Öffentlichkeit bisher verborgene Friese von Hansen.
APA/Techt
Die im Jänner 2022 verstorbene Brigitte Kowanz hat in ihrer letzten Arbeit das Datum des 12. November 1918, Tag der Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich, in Lichtpunkte übersetzt. Sämtliche Werke werden durch Beschilderungen, per QR-Code abrufbare Informationen und einen Film mit den Künstlern erklärt.
APA/Techt
Redaktion - mhi

Vier neue Briefmarken und Sonderpostamt zur Eröffnung

Anlässlich der Wiedereröffnung des generalsanierten Parlaments gibt die Österreichische Post im Auftrag der Parlamentsdirektion das Marken- und Postkartenheft "Parlament Österreich" heraus. Vier Postkarten sowie vier Briefmarken mit einer Nominale von je einem Euro zeigen Motive des runderneuerten Hauses, darunter eine Außenansicht des historischen Gebäudes, der Nationalratssitzungssaal und der Sitzungssaal des Bundesrats, teilte die Post mit.
Österreichische Post AG
Redaktion - mhi

Ausweichquartier des Parlaments wird ab Februar abgebaut

Mit der Rückübersiedlung in das Haus am Ring kommt auch das Aus für das Ausweichquartier. Wie die Parlamentskorrespondenz mitteilte, werden die drei Pavillons (einer im Bibliothekshof, zwei am Heldenplatz) ab 20. Februar 2023 abgebaut. Die in der Hofburg genutzten Bereiche werden wieder an die Burghauptmannschaft übergeben.

Bevor der parlamentarische Betrieb in dem sanierten Gebäude starten kann, war ein komplexer Prozess der Inbetriebnahme nötig. In 47 Einzelprojekten - von der Möblierung, der Ausstattung mit Medientechnik, der IT im gesamten Haus bis zur Organisation von Sicherheits- und Logistikabläufen - wurde das Haus koordiniert "hochgefahren". In mehren Probesitzungen wurde der Sitzungsbetrieb von Nationalrat und Bundesrat simuliert. Es mussten 800 Arbeitsplätze, 6.400 Umzugskartons und rund 3.000 Klein- und Sonderinventargegenstände zurück übersiedelt werden.
APA/Jäger/Archiv
Martina Sumper-Scheiber

Parlament mit Gesichtserkennungssystem

Das Parlament hat nach seiner Rückübersiedlung in das sanierte Gebäude am Ring ein Gesichtserkennungssystem für dauerzutrittsberechtigte Personen wie Abgeordnete oder parlamentarische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen. Sie können auf freiwilliger Basis über ein "Fast Lane"-System den Haupteingang passieren, indem sie durch eine mit Sensoren und einer biometrischen Lösung ausgestattete Sicherheitsschleuse gehen.
 
Alternativ ist weiterhin der Zugang mit Ausweis oder Karte möglich, betonte man in der Parlamentsdirektion. An den vier Seiteneingängen soll der Zutritt nur mehr mit Zutrittskarte und Handvenenscanner möglich sein. Dort wird künftig kein Personal mehr im Einsatz sein, das kontrolliert.
Redaktion - mhi
Redaktion - mhi

Einige Zahlen

Unter dem operativen Baumanagement der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) wurden 55.000 Quadratmeter Netto-Geschoßfläche in dem denkmalgeschützten Haus saniert, 40.000 m2 Böden abgebrochen und samt Technikinstallationen neu verlegt, 740 Fenster und 600 Türen saniert sowie 500 Luster in Schuss gebracht. Die Nutzfläche wurde um 10.000 Quadratmeter erhöht, durch neue Räume und ein 1.500 Quadratmeter großes Besucherzentrum ("Demokratikum") im Erdgeschoss. Neu sind auch 800 m2 Gastronomiefläche (vor allem im ausgebauten Dachgeschoss) und vier Terrassen mit insgesamt 400 m2 Fläche.
Redaktion - mhi
Redaktion - mhi

Zwei Tage der offenen Tür

Am 14. und 15. Jänner 2023 öffnet sich das wiedereröffnete Parlament den Bürgerinnen und Bürgern mit zwei Tagen der offenen Tür. Besichtigt werden können Nationalrats-, Bundesrats- und Bundesversammlungssaal, die Amtsräume von Nationalrats- und Bundesratspräsident, die Säulenhalle, das neue Besucherzentrum und die Bibliothek. Am 26. Jänner wird Alexander Van der Bellen im Historischen Sitzungssaal erneut als Bundespräsident angelobt. Das erste reguläre Nationalratsplenum im runderneuerten Haus ist für 31. Jänner vorgesehen. Die drei Pavillons des Ausweichquartiers (am Heldenplatz und im Bibliothekshof) werden dann demontiert, die Redoutensäle in der Hofburg, wo seit 2017 National- und Bundesrat tagten, rückgebaut.
Martina Sumper-Scheiber

Das Haus am Ring glänzt neu

Mehr als fünf Jahre lang wurde das im 19. Jahrhundert erbaute Parlamentsgebäude in Wien saniert und modernisiert. Am Donnerstag wird das denkmalgeschützte Haus am Ring nun festlich wiedereröffnet. Damit geht zu Ende, was 2014 von allen Parlamentsfraktionen einstimmig per Gesetz beschlossen worden war. Fast eine halbe Milliarde Euro floss - inklusive Ausweichquartier in der Hofburg und am Heldenplatz - in das Projekt.

Erbaut wurde Österreichs Parlament nach den Plänen von Theophil Hansen von 1874 bis 1883. Nach dem austrofaschistischen Ständestaat ab 1934, der nationalsozialistischen Diktatur und schweren Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkriegs fungierte es ab 1945 wieder als Parlament. Die nunmehrige, bereits ab 2010 von der damaligen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) angestoßene Sanierung plante das Büro Jabornegg & Pálffy.
APA/Schlager
Die Kosten wurden 2014 im "Parlamentsgebäudesanierungsgesetz" mit 352,2 Mio. Euro (sowie 51,4 Mio. Euro für das Ausweichquartier) festgelegt, jeweils samt 20-prozentiger Reserve. Diese wurde 2020 auch aktiviert. Die Schlussabrechnung soll Ende 2023 vorliegen, nach Parlamentsangaben besteht weiterhin ein finanzielles Restrisiko von zwei bis drei Prozent. Die Fertigstellung - zunächst für 2020 angepeilt - war immer wieder hinausgeschoben worden. Ausschreibungen mussten wegen überhöhter Preise wiederholt werden, auch Corona sorgte für Verzögerungen.
APA/Schlager
Highlight des Umbaus ist die Glaskuppel über dem Nationalratssitzungssaal mit 28 Metern Durchmesser und einer Fläche von 550 m2. Die Paneele sind elektrochrom, ihre Lichtdurchlässigkeit kann gesteuert werden. Im Saal wurde zuletzt noch bei der Akustik nachgebessert, durch Dämmmaterial im Unterboden und durchsichtigen Akustiksegeln in der Kuppel. Alle Abgeordneten bekommen Computeranschlüsse und ein Zehn-Zoll-Display. Eine elektronische Abstimmungsanlage gibt hingegen weiterhin nicht, dafür bräuchte es eine Geschäftsordnungsnovelle. Die technischen Voraussetzungen für eine Nachrüstung sind aber vorhanden.
APA/Schlager
Direkt unter der Glaskuppel im Nationalratssaal entstand ein verglaster Rundgang für Besucherinnen und Besucher - das "Plenarium". Führungen können so auch während laufender Sitzungen stattfinden. In der Beletage übersiedelte der Bundesrat in den bisherigen Budgetsaal. Unter den beiden großen Sitzungssälen wurden zwei Ausschusslokale neu errichtet, u.a. für Untersuchungsausschüsse. Es wurden vier neue Haupttreppenhäuser gebaut.
APA/Schlager
Verbessert wurde die Sicherheitstechnik und Infrastruktur, auch Barrierefreiheit gibt es - zumindest weitgehend. Die Fassade hat man ringstraßenseitig restauriert, ebenso den Pallas-Athene-Brunnen und 44 Attika-Figuren aus Carrara-Marmor. Mit 1,8 Mio. Euro wurde zudem für Kunst im Parlament gesorgt - und das nicht nur mit einem angemieteten, gold-geschmückten Bösendorfer-Flügel, der dem aktuellen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ebenso viel Kritik eingebracht hat wie die recht eigenmächtige Benennung von Ausschusslokalen.
APA/Schlager