Redaktion - mhi

Österreich wählt Nationalrat neu

Österreich wählt am Sonntag den Nationalrat neu. Rund 6,3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind aufgerufen, die 183 Abgeordneten zu küren - und damit die Weichen für die nächste Regierung stellen. Zur Wahl stehen österreichweit neun Parteien, in einzelnen Bundesländern noch mehr. Das vorläufige Ergebnis wird am späten Sonntagabend bzw. in der Nacht erwartet, laut Wahlbehörden voraussichtlich nicht vor 23 Uhr. Ein Bild über den Wahlausgang wird das Land aber bereits kurz nach dem Wahlschluss um 17 Uhr haben, wenn die ersten Hochrechnungen veröffentlicht werden.
APA/Hochmuth
2019 lag die ÖVP mit 37,46 Prozent klar auf dem ersten Platz (damals noch unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz). Für heuer prognostizieren die Umfragen der mittlerweile von Bundeskanzler Karl Nehammer geführten Partei deutliche Verluste und eher Platz zwei hinter der FPÖ, dennoch hofft man bei der Volkspartei auf die Verteidigung des ersten Ranges.

Die Freiheitlichen können laut den Meinungsforschern mit deutlichen Zuwächsen rechnen. Ziel von Parteichef Herbert Kickl ist daher auch Platz eins und die Kanzlerschaft. 2019 hatte es infolge des Ibiza-Skandals von Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache eine herbe Niederlage gesetzt: Die Freiheitlichen sackten um 9,79 Prozentpunkte ab und landeten bei 16,17 Prozent.

Für die SPÖ geht es um die Frage, ob der im Juni 2023 erfolgte Wechsel an der Spitze zu Parteichef Andreas Babler die erhoffte Trendwende bringt. Bei der Wahl 2019 erlitt die Sozialdemokratie mit 21,18 Prozent (ein Minus von 5,68 Prozentpunkten) ihr Rekord-Negativergebnis. Umfragen legen ein etwas besseres Ergebnis als 2019 nahe.

Die Grünen werden wohl ihr Rekord-Ergebnis von 2019 (13,9 Prozent/+10,1) nicht halten können, laut Umfragen dürften sie sich mit Werten um die neun Prozent mit den NEOS um Platz vier matchen, wobei die Meinungsforscher die Liberalen im Vorteil sehen. Die Pinken werden gegenüber ihren 8,10 Prozent aus 2019 aber wohl zulegen.

Ebenfalls in ganz Österreich auf dem Wahlzettel stehen die Bierpartei, die Liste Madeleine Petrovic, die KPÖ und die Liste "Keine von denen". Nur in einzelnen Bundesländern treten die MFG, die Liste GAZA und "Die Gelben" an, was deren Aussichten auf Erfolg deutlich schmälert.
Redaktion - mhi

Dominik Wlazny: Vom Plastik zum Bier

Aus Spaß wird ernst: Dominik Wlazny will mit seiner Bierpartei in den Nationalrat einziehen, die Chancen dafür stehen nicht gerade schlecht. Der Mediziner und Band-Leader tourte durchs Land, TV-Duelle mit anderen Kandidaten ließ er dafür aus - allgemein zeigte sich der sonst umtriebige Frontman in den letzten Wochen eher medienscheu.

Zu verdanken hat die Partei die guten Chancen auch quasi ausschließlich ihrem Chef und Gründer: Neben Wlazny sind kaum Mitstreiter bekannt. Das aber auch wohl nicht ganz unbewusst, betont er doch bei nahezu jedem Auftritt, die Unterstützung aus der Mitte der Bevölkerung haben zu wollen. Mittlerweile kennt man die überschaubare Zahl an Kandidaten und Kandidatinnen - nur 17 sind es insgesamt - zumindest namentlich. Wie mehrfach angekündigt finden sich auf der Liste eine Juristin, Studentinnen und Unternehmer, "ganz normale Leute" eben.
APA/Hochmuth
Für das nötige Aufsehen sorgt der Parteichef aber ohnehin selbst. Dominik Wlazny, anfangs besser bekannt unter seinem Künstlernamen Marco Pogo, als der er an der Spitze der Band "Turbobier" steht, nutzte sein Standing als Musiker geschickt, um nach Songs, T-Shirts und Bier auch seine Politik unter die Leute zu bringen. Den größten Erfolg fuhr er bei der Präsidentschaftswahl im Herbst 2022 ein, bei der er 8,3 Prozent der Wählerstimmen und in Wien gar Platz Zwei erreichte.

Dabei weiß man über Wlazny gar nicht so wahnsinnig viel. Geboren zwar in Wien, aufgewachsen jedoch im Pulkautal, maturierte er in Hollabrunn, wo er sich im örtlichen "Schlachthof", konkret dem "Verein zur Förderung der alternativen Musikszene", einen frühen Namen machte.

Die erste Band des damals noch Teenager-Punkrockers waren die "Gogets", als "Niki Plastik" war er noch weniger berühmt als mit seinem späteren Künstlernamen "Marco Pogo", den er bis heute trägt. Neben der Musik gab es auch die Medizin. Wlazny wollte dereinst als rekonstruktiver Chirurg arbeiten, gab er zumindest in einem Interview an, doch während seiner Zeit als Turnusarzt entschied er sich für "Turbobier". Der Mediziner schaut aber auch als Rocker auf seine Gesundheit: Wlazny ist zwei Marathons gelaufen und trinkt - laut eigener Angabe - "nicht viel Bier", dafür am liebsten Soda-Zitron.
APA/Schlager
Die Band sorgt bis heute für ausverkaufte Häuser, das politische Engagement und die damit verbundene PR wird dem nicht geschadet haben, ebenso wenig der Vermarktung seiner Biermarke. Kritiker vermuten, dass das politische Engagement nicht viel mehr als ein Marketing-Gag sei. Umtriebig ist Wlazny jedenfalls. Nebenbei hat er mittlerweile auch ein Buch veröffentlicht und ein Kabarett-Programm geschrieben.

Wlaznys Auftritte sind betont lässig. Gerne in T-Shirt, Lederjacke und engen Jeans, die Haare lang, die Aussprache meist im leichten Dialekt, wenn der auch nicht unbedingt authentisch klingt. Die Partei dürfte wohl am meisten im Wählersegment links der Mitte wildern, als Protestpartei kann Wlazny aber fast allen bis hin zur FPÖ schaden, auch wenn eine Corona-Impfaktion vor einem seiner Auftritte wahrscheinlich das freiheitliche Publikum nicht unbedingt angesprochen haben wird.
Redaktion - mhi

Tobias Schweiger: Jung-Marxist mit Grünen Wurzeln

Das Gesicht der KPÖ im Nationalratswahlkampf heißt Tobias Schweiger. Der bisher der breiten Öffentlichkeit kaum bekannte 34-Jährige soll die dunkelrote Retro-Partei nach Jahrzehnten aus der politischen Bedeutungslosigkeit zurück in den Nationalrat führen. Dazu versucht der eloquente Jung-Marxist aus seiner Geburtsstadt Graz - mittlerweile Kommunisten-Hochburg - einen Hauch von "Leningraz" nach Wien zu exportieren. Laut Umfragen wird das allerdings eine schwierige Mission.

Im Wahlkampf gibt sich der ideologisch sattelfeste Kommunist stets freundlich und vermeidet Kampfbegriffe und potenzielle Reizwörter wie Verstaatlichung, Enteignung oder Revolution. Stattdessen spricht er lieber von Vergemeinschaftung und wirbt für eine Gesellschaft jenseits des Markts. Auch optisch gibt sich der ehemalige Hausbesetzer proper - der Dutt, der lange sein Markenzeichen war, wich einem Kurzhaarschnitt.
APA/Techt
Zur KPÖ kam Schweiger über Umwege. Nach Revoluzzer-Jahren in der Grazer Antifa-Szene dockte Schweiger politisch zunächst bei den Grünen an. Seine Familie war sozialdemokratisch geprägt: Sein Vater leitete vier Jahrzehnte lang die SPÖ-nahe Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik, die sozial engagierte Mutter war Lehrerin. Den Junior zog es schon früh weiter nach links. Die antikapitalistische Rebellion hinderte ihn aber nicht daran, sich zwischen Hausbesetzungen als Schulsprecher zu engagieren und eine Vorzeige-Matura abzulegen.

Zum Studium wählte Schweiger die einst als rote Kaderschmiede geltende Universität Bremen, wo er einen Bachelor in Philosophie und Politikwissenschaften absolvierte. Mit dem kommunistischen Übervater hatte er sich da bereits intensiv auseinandergesetzt, er hielt in Bremen neben dem Studium selbst Lektürekurse zum Kapital von Karl Marx für die Rosa-Luxemburg-Stiftung ab. Dieselben Marx-Lesezirkel bot er auch später an der Universität Wien an. Ein Masterstudium der Sozioökonomie in Wien blieb unabgeschlossen.
APA/Fohringer
Erste politische Erfahrung sammelte er bei den Jungen Grünen, die er mitbegründete und 2011 als Bundessprecher vertrat. Das Verhältnis der Jugendorganisation der Grünen zur Mutterpartei war immer wieder von Friktionen geprägt. Nachdem die Jungen Grünen zunehmend auf Konfrontationskurs mit der Bundespartei gingen, kam es 2017 zum endgültigen Bruch und dem Ausschluss der Jugendorganisation. Wie viele enttäuschte Junge Grüne zog es auch Schweiger zur KPÖ. Schon bei der Nationalratswahl 2017 kandidierte er auf Platz fünf der dunkelroten Bundesliste. Parallel widmete er sich dem Aufbau der Jugendorganisation Junge Linke, zu deren Sprecher er 2019 gewählt wurde.

2021 stieg der ehrgeizige Schweiger im Zuge eines Generationswechsels an die Spitze der KPÖ auf. In einem Team von insgesamt sechs Bundessprechern löste er Langzeit-Parteichef Mirko Messner ab. Seitdem gelang die Wiederannäherung der jahrelang zerstrittenen steirischen KPÖ und der Bundespartei. Bei der ersten gemeinsamen Konferenz seit 20 Jahren im vergangenen November wurde der in Wien lebende Steirer zum Spitzenkandidaten bei der Nationalratswahl gekürt. Ins Parlament bringen will er die chronisch erfolglose Bundes-KPÖ mit dem österreichweiten Export des erfolgreichen Grazer Modells: Fokus auf das Thema Wohnen, Sozialsprechstunden und freiwillige Gehaltskürzung der Mandatare.

Auf längere Sicht träumt der Hobby-Koch, der im Laufe der Jahre als Kellner, Koch und in einer Buchhandlung jobbte, nach eigenen Angaben vom Aufbau einer öffentlichen Mensa der KPÖ, wo er selbst kochen will.
Redaktion - mhi

Frequently Asked Questions - IM WAHLLOKAL

Brauche ich einen Ausweis, um wählen zu können?
Ja, Sie müssen im Wahllokal Ihre Identität belegen können. Dafür brauchen Sie einen Ausweis - und zwar ein amtlicher mit Foto, der Meldezettel reicht nicht. Ohne Identitätsnachweis können Sie nur wählen, wenn die Mehrheit der Wahlbehörden-Mitglieder Sie persönlich kennt - und keiner Einspruch erhebt. Die Amtliche Wahlinformation müssen Sie nicht dabei haben - aber die Wahlkarte, wenn Sie eine angefordert haben.

Wer sind die Leute im Wahllokal?
Der "Chef" ist der Wahlleiter, meist ein Beamter. Die anderen Personen sind entweder Hilfspersonal oder Vertreter der Parteien. Drei sind (von den Parteien gestellte) "Beisitzer". Sie dürfen mitentscheiden, etwa ob ein Stimmzettel gültig ist. Nur an den Beratungen teilnehmen, aber nicht mitstimmen dürfen Vertrauenspersonen (maximal zwei pro Partei). Außerdem dürfen die Parteien noch zwei Wahlzeugen in jedes Wahllokal entsenden. Diese können laufend nach außen informieren, weil für sie die Amtsverschwiegenheit nicht gilt.

Wie viel Zeit habe ich in der Wahlkabine?
Das steht nicht im Gesetz. Aber der Wahlleiter könnte Sie zum Verlassen der Wahlzelle auffordern, wenn er das Gefühl hat, dass Sie andere an der Stimmabgabe hindern wollen. Nach der Abgabe der Stimme müssen Sie das Wahllokal sofort verlassen.
APA/Hochmuth/Archiv
Darf ich ein Selfie aus der Wahlzelle posten?
Das ist in Österreich nicht verboten. Denn das in der Verfassung verankerte Wahlgeheimnis schützt den Wähler davor, dass gegen seinen Willen bekannt wird, wie er abgestimmt hat. Den Stimmzettel eines anderen ohne dessen Zustimmung zu fotografieren und zu posten wäre also verboten - ein Selfie mit Stimmzettel ist erlaubt.

Darf ich mein Kind den Stimmzettel ausfüllen lassen?
Nein, der Stimmzettel muss selbst ausgefüllt werden. Paragraf 66 NRWO sagt: "Das Wahlrecht ist persönlich auszuüben" - nur körper- oder sinnesbehinderte Wähler dürfen sich helfen lassen.

Darf ich mein Kind überhaupt mitnehmen in die Wahlzelle?
Ein kleines Kind sicherlich. Aber es ist in jedem Fall die Entscheidung der Wahlbehörde. Diese muss auf die Aufsichtspflicht Rücksicht nehmen, aber auch darauf, dass das Wahlgeheimnis nicht verletzt wird.

Ich kann aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht selbst ankreuzen. Darf mir jemand helfen?
Ja, körper- oder sinnesbehinderte Wähler dürfen sich von einer selbst ausgesuchten Begleitperson helfen lassen. Blinde oder stark sehbehinderte Menschen können eine Stimmzettel-Schablone verlangen. Mogeln sollte man nicht: Wer sich fälschlich als blind oder behindert ausgibt, kann mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen bestraft werden.

Darf ich meinen Hund in die Wahlkabine mitnehmen?
Das ist im Gesetz nicht verboten. Der Wahlleiter könnte es aber verbieten, wenn dadurch die Ruhe gestört wird. Denn der Wahlleiter hat "für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung bei der Wahlhandlung" zu sorgen. Wenn er nicht erlaubt, den Hund mitzunehmen, sollten Sie sich daran halten. Gegen die Anordnungen des Wahlleiters zu verstoßen, kann mit bis zu 218 Euro Geldstrafe bzw. zwei Wochen Ersatzhaft bestraft werden.
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Gewinne und Verluste der Parteien seit 2019

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Rückblick auf die letzte Nationalratswahl am 29. September 2019

Die demonstrativ höchst harmonische türkis-blaue Regierung platzte nach eineinhalb Jahren - weil im Mai 2019 das "Ibizavideo" auftauchte, in dem sich Parteichef Heinz-Christian Strache gegenüber einer vermeintlichen russischen Oligarchin bereit zu korrupter Auftragsvergabe zeigte und sich die Übernahme der "Kronen Zeitung" wünschte. Kanzler Sebastian Kurz kündigte die Koalition auf, die Neuwahl an - und weil Herbert Kickl nicht mehr Innenminister sein sollte, schmissen alle FPÖ-Regierungsmitglieder die Ämter hin. Kurz und die ÖVP-Minister verloren ihre Ämter durch den ersten erfolgreichen Misstrauensantrag der Zweiten Republik, getragen von SPÖ, FPÖ und JETZT. Österreich bekam seine erste Beamtenregierung. Bei der Neuwahl siegte die ÖVP fulminant mit 37,46 Prozent vor der SPÖ, die mit 21,18 ein weiteres Rekord-Negativergebnis einfuhr. Die FPÖ stürzte auf 16,17 Prozent ab. Die Grünen hingegen feierten mit dem Rekord-Ergebnis von 13,9 Prozent einen fulminanten Wiedereinzug, der Konkurrent JETZT flog mit 1,87 Prozent aus dem Nationalrat. Es folgte nach eineinhalbmonatigen Verhandlungen mit der türkis-grünen Regierung unter Kurz die erste grüne Regierungsbeteiligung im Bund.
Die darauffolgende Gesetzgebungsperiode verlief zwar äußerst turbulent, dennoch wurden die fünf Jahre durchgedient. Geprägt war Türkis-Grün die ersten Jahre von der Corona-Pandemie und deren gesellschafts-, wirtschafts- und gesundheitspolitischen Nachwehen und zahlreichen Regierungsumbildungen - alleine im Gesundheitsministerium wechselten sich mit Rudolf Anschober, Wolfgang Mückstein und zuletzt Johannes Rauch drei Minister ab. Nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz in der ÖVP-Korruptionsaffäre immer mehr unter Druck kam, erklärte er am 9. Oktober 2021 seinen Rücktritt als Bundeskanzler, blieb aber ÖVP-Chef und Klubobmann. Als Kanzler folgte der damalige Außenminister Alexander Schallenberg. Am 2. Dezember 2021 schließlich kehrte Kurz - unter anderem zermürbt von den Ermittlungen der Justiz gegen ihn - der Politik komplett den Rücken zu und trat auch als ÖVP-Chef zurück. Daraufhin stellte auch Schallenberg sein Kanzleramt zur Verfügung. Dieses sowie den Posten des ÖVP-Chefs übernahm Karl Nehammer - und blieb es bis heute. Der grüne Koalitionspartner trug all diese Turbulenzen mit, Neuwahlen wurden keine vom Zaun gebrochen und damit konnte die aktuelle XXVII. Gesetzgebungsperiode über die volle Länge gebracht werden.
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Die Spitzenkandidaten im Kurzporträt

Die insgesamt neun in ganz Österreich antretenden Parteien bei der Nationalratswahl werden von sieben Männern und zwei Frauen in die Wahl geführt. Der älteste Spitzenkandidat ist Werner Kogler. Der 62-Jährige geht zum zweiten Mal für die Grünen ins Rennen. Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger war bereits 2019 pinke Spitzenkandidatin. Eine Premiere ist es dagegen für die Listenersten der drei großen Parteien. Im Folgenden die Kurzbiografien der Kandidaten.

ÖVP: KARL NEHAMMER
Für den Bundeskanzler ist es die erste Wahl, bei der er selbst als Spitzenkandidat ins Rennen geht. Der 51-Jährige ist zwar gebürtiger Wiener, wurde aber in der niederösterreichischen Volkspartei sozialisiert. Sein Aufstieg begann unter Sebastian Kurz: 2018 wurde der ÖAABler Generalsekretär der türkisen ÖVP, im Jänner 2020 wechselte er ins Innenministerium. In seine Amtszeit fielen die Corona-Maßnahmen und die Demonstrationen dagegen sowie der Terroranschlag in Wien. Das Krisenmanagement innerhalb der ÖVP wurde dann Anfang Dezember 2021 seine Hauptaufgabe, als er nach dem Abgang von Sebastian Kurz die von Korruptionsvorwürfen gebeutelte Volkspartei übernahm und wenige Tage später als Bundeskanzler angelobt wurde.

Im Vergleich zum innerparteilich einst so verehrten Kurz wirkt der zackige Oberstleutnant wenig charismatisch. Auch passierten dem ausgebildeten Kommunikationstrainer immer wieder ungeschickte Ausrutscher - etwa beim Burger-Sager im vergangenen Sommer. Den Absturz der Türkisen konnte Nehammer nicht aufhalten: In den sechs Urnengängen unter Nehammer setzte es fünf Mal ein sattes Minus - zuletzt minus zehn Prozentpunkte bei der EU-Wahl im Juni. Weil noch größere Verluste befürchtet worden waren, hat sich die Stimmung aber zuletzt etwas gebessert und Nehammer sitzt derzeit fest im Sattel.
APA/Slovencik
SPÖ: ANDREAS BABLER
Dringend einen Wahlerfolg würde der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler brauchen. Die großen Erwartungen, die der linke Hoffnungsträger in der SPÖ bei seiner Kür zum Parteichef vor einem Jahr bei den Genossen weckte, haben sich bisher nicht erfüllt, weshalb der Druck enorm ist. Nicht hilfreich sind dabei die nicht verstummenden Querschüsse von parteiinternen Kritikern.

Der 51-jährige einstige SJ-Bundessekretär, der gern seine Herkunft aus dem Arbeiter-Milieu betont, hat es als Außenseiter im Dreikampf um die Parteiführung vergangenes Jahr geschafft, vor allem die Parteilinke zu begeistern. Diese Aufbruchstimmung bemüht sich der leutselige Niederösterreicher seitdem im Land zu verbreiten. Der leidenschaftliche Schnell-Redner setzt betont auf Sachpolitik und stellte nacheinander die mit Experten erarbeiteten Konzepte für seine "Reformkanzlerschaft" vor. Dabei fehlt dem weiter als Bürgermeister amtierenden Bundesrat die Bühne des Nationalrats. Zudem gibt es offenbar auch in Teilen der Partei Zweifel an seinem betont linken Kurs.
APA/Slovencik
FPÖ: HERBERT KICKL
Auch Kickl stammt aus einer Arbeiterfamilie und zieht erstmals als Spitzenkandidat in eine Wahl, in der zweiten Reihe hat der 55-Jährige aber bereits viele Wahlschlachten geschlagen. Viele Jahre galt der Hardliner aus Kärnten als der Mann im Hintergrund. Der talentierte scharfe Redenschreiber war verantwortlich für umstrittene Wahlslogans und mitunter skandalträchtige Formulierungen der Parteichefs Jörg Haider und Heinz-Christian Strache. Zwischen 2005 und 2017 leitet er als Generalsekretär die Partei.

Erstmals ins Rampenlicht trat Kickl 2017, als er in der ersten Regierung Kurz Innenminister wurde. In Erinnerung geblieben sind neben seinem Hang zur berittenen Polizei vor allem die Razzia im Verfassungsschutz, die dessen internationales Ansehen nachhaltig beschädigten. An die Parteispitze gelangte Kickl 2021 nach der Demontage des gemäßigteren Norbert Hofer. Dort entpuppte sich der unterschätzte einstige Außenseiter, über den bis auf seine Sportbegeisterung wenig bekannt ist, als erfolgreicher Populist, der die Corona-Krise geschickt zu nutzen wusste. Nun träumen er und seine Anhänger von einer "Volkskanzlerschaft".
APA/Hochmuth
GRÜNE: WERNER KOGLER
Auch Kogler war lange ein Mann in der zweiten Reihe und unterschätzt, bevor er seine Partei zu neuen Erfolgen führte - ansonsten verbindet den Steirer aber wohl kaum was mit Kickl. Der 62-jährige Vizekanzler ist ein Grüner der ersten Stunde. Vom Gemeinderat in Graz wechselte der studierte Volkswirt 1999 in den Nationalrat, ab 2009 war er Stellvertreter von Parteichefin Eva Glawischnig. In der dunkelsten Stunde, als die Grünen 2017 aus dem Parlament flogen, krempelte er die Hemdsärmel auf und übernahm die am Boden liegende Partei.

Er verzichtete temporär auf ein Gehalt und schaffte es mit seiner bescheidenen, mitunter sympathisch-kautzigen Art innerhalb von zwei Jahren die außerparlamentarische Kraft nicht nur zurück ins Parlament sondern sogar in die Regierung zu führen. Überraschend leicht gelang ihm dann auch die Verwandlung vom Underdog - bekannt mit Lederjacke und grüner Brille - zum seriösen Vizekanzler im Anzug, der als ÖVP-Koalitionspartner viele für die Basis schmerzhafte Kompromisse etwa in der Migrationspolitik schlucken musste.
APA/Hochmuth
NEOS: BEATE MEINL-REISINGER
Die 46-jährige Wienerin ist die einzige Frau in der rein männlichen Kandidatenriege und die jüngste unter den Listenersten der Parlamentsparteien. Die studierte Juristin kommt ursprünglich aus dem Dunstkreis der ÖVP, war Assistentin des EU-Abgeordneten Othmar Karas sowie Kabinettsmitglied bei Familienstaatssekretärin Christine Marek. 2012 wandte sie sich enttäuscht von der ÖVP ab und wurde stellvertretende Vorsitzende der neugegründeten liberalen NEOS.

Vom Nationalrat wechselte die Wiener Landeschefin in den Wiener Gemeinderat und kehrte 2017 ins Hohe Haus zurück. 2018 übernahm Meinl-Reisinger nach dem Abgang von Matthias Strolz die NEOS. Die redegewandte Juristin, die Humor hat und gern und viel lacht, würde die liberale Oppositionspartei gerne in die Regierung führen, ob das gelingt, wird sich zeigen.
APA/Hochmuth
KPÖ: TOBIAS SCHWEIGER
Der 34-jährige Grazer Tobias Schweiger kommt aus einer sozialdemokratischen Familie, wurde zunächst aber bei den Jungen Grünen aktiv. Nach dem Wahldebakel der Grünen Bundespartei 2017 wendete er sich enttäuscht ab, gründete die Jungen Linken mit und wurde dann bei der KPÖ aktiv. Seit 2021 ist er KPÖ-Bundessprecher. Studiert hat Schweiger in Bremen Philosophie und Politikwissenschaften bis zum Bachelor. Beim Masterstudium der Sozioökonomie in Wien fehlt noch die Masterarbeit. Nebenbei arbeitete Schweiger als Kellner, Koch, Erwachsenenbildner und in einer Buchhandlung. Sein Wunschtraum für die KPÖ ist, dass sie so erfolgreich ist, dass sie in zehn Jahren eine öffentliche Betriebskantine hat, die er gerne leiten würde, wie er jüngst dem "Falter" erzählte.
APA/Fohringer
BIERPARTEI: DOMINIK WLAZNY
Der 37-jährige Dominik Wlazny wurde als Marco Pogo bekannt. Der gebürtige Wiener Mediziner und Punkband-Leader startete seine Bierpartei 2015 zunächst als Satireprojekt. Schon 2019 trat die Partei bei der Nationalratswahl an - allerdings nur in Wien, wo sie mit nicht ganz ernst gemeinten Forderungen wie jener nach einem Bierbrunnen auffiel. Seit der Wien-Wahl bis Mai war Wlazny Bezirksrat in Simmering. Ernst genommen wird der betont lässig auftretende Berufsjugendliche seit der Bundespräsidentenwahl, bei der er bundesweit 8,3 Prozent der Wählerstimmen bekam und in Wien sogar auf Platz zwei landete. Umtriebig ist Wlazny, der mit seinem Vater den Bierpartei-Vorstand de facto familiär dominiert, auch abseits von Musik und Politik, so hat er ein Buch und ein Kabarett-Programm geschrieben. Über seine inhaltlichen Vorstellungen für die Bundespolitik hält er sich dagegen bisher äußerst bedeckt.
APA/Slovencik
LISTE PETROVIC: MADELEINE PETROVIC
Die Ex-Grünen-Chefin Madeleine Petrovic macht ihrer früheren Partei Konkurrenz. Die 68-Jährige gilt als Grünes Urgestein, 1990 zog sie für die Partei in den Nationalrat ein, war von 1994 bis 1996 Parteichefin und von 2002 bis 2015 Landessprecherin der Grünen in Niederösterreich. Mittlerweile ist Petrovic - nachdem ihre Mitgliedschaft bereits vor zwei Jahren ruhend gestellt wurde - nach eigenen Angaben aus der Partei ausgetreten. Den Antritt mit einer eigenen Liste sieht die Tierschützerin als "unvermeidlichen" Schritt angesichts der zunehmenden "Entfremdung" zwischen ihr und den Grünen. Als Gründe dafür nannte sie vor allem die "Erodierung" bei den Grundrechten im Zuge der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Petrovic war während der Hochphase der Eindämmungsmaßnahmen gegen die Pandemie als Maßnahmengegnerin aufgetreten. Ihre Liste besteht aus ehemaligen Grünen und Vertretern der "GGI-Initiative" (zunächst "Grüne gegen Impfpflicht & 2G", heute "Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit").
APA/Wieser
"KEINE": FAYAD MULLA
Fayad Mulla steht seit 2012 der Partei Wandel vor, die dieses Mal unter dem Namen "KEINE" ("Keine von denen") antritt. Mit seiner links-progressiven Partei schaffte er es auch vor fünf Jahren bundesweit auf den Stimmzettel (damals als "WANDL" auf dem Stimmzettel) und kam auf 0,5 Prozent der Stimmen. Mulla wurde am 19. Dezember 1980 in St. Veit an der Glan geboren, betätigt sich laut Parteiangaben als Menschenrechtsaktivist - mit Schwerpunkt auf der griechischen Insel Lesbos. Der Magister des Studiums "Internationale Entwicklung" war in verschiedenen Berufen tätig - u.a. als Lagerarbeiter, Firmengründer oder Nachtportier. Auch betätigte er sich im NGO-Bereich tätig, unter anderem als Systemkoordinator beim SOS-Kinderdorf und als Regionalleiter bei der Caritas Österreich.
APA/Manhart
Redaktion - mhi

Frequently Asked Questions 

Frage: Was wählen wir eigentlich am 29. September?
Antwort: 183 Abgeordnete, die in den nächsten fünf Jahren im Nationalrat Gesetze erarbeiten, beschließen oder ändern und die Regierung mit Anfragen oder Untersuchungsausschüssen kontrollieren können. Die Parteien, die am Stimmzettel zur Wahl stehen, nominieren die potenziellen Abgeordneten auf den vor der Wahl festgelegten Listen.

Wer darf wählen?
Bei der Nationalratswahl darf jeder Staatsbürger wählen, der spätestens am Wahltag 16 Jahre alt wird. Einzige Ausnahme: Ein Richter kann rechtskräftig Verurteilten das Stimmrecht entziehen, wenn sie wegen einer Vorsatztat mehr als fünf Jahre Freiheitsstrafe bzw. mindestens ein Jahr wegen eines gegen den Staat gerichteten Deliktes wie Landesverrat, Wahlbetrug, NS-Wiederbetätigung oder Terror ausgefasst haben. Der Ausschluss vom Wahlrecht beginnt mit Rechtskraft des Urteils und endet, sobald die Strafe vollstreckt ist. Beim heurigen Urnengang sind laut vorläufigem Stand mehr als 6,35 Millionen Menschen wahlberechtigt.
APA/Hochmuth
Wen kann ich wählen?
Österreichweit stehen zumindest neun Parteien auf dem Stimmzettel. Neben den fünf Parlamentsparteien - ÖVP, SPÖ, FPÖ, GRÜNE und NEOS - sind das Die Bierpartei (BIER), die KPÖ, "Keine von denen" (KEINE) und die Liste Madeleine Petrovic (LMP). Lediglich diese Auswahl haben die Kärntner, dort hat keine weitere Liste eine Kandidatur geschafft. Im Burgenland haben die Wähler zudem die Liste GAZA und "Die Gelben" (BGE) zur Auswahl. In den Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien können die Wähler neben den neun bundesweit Antretenden ihr Kreuzerl auch bei der Liste GAZA und der MFG machen. In Salzburg hat es nur noch die MFG zusätzlich auf den Stimmzettel geschafft.

Muss ich wählen gehen?
Nein. Seit 1992 besteht nirgends mehr Wahlpflicht für die Nationalratswahl.

Wie finde ich mein Wahllokal?
In der "Amtlichen Wahlinformation", die Wahlberechtigten in jeder Gemeinde vor der Wahl zugeschickt werden muss, ist unter anderem auch das zuständige Wahllokal angeführt.

Wo kann ich wählen?
Seit Einführung der Briefwahl überall - aber nur mit einer Wahlkarte. Ohne eine solche geht es nur in "ihrem" Wahllokal am Wohnort. Mit Wahlkarte konnten Sie die Stimme schon vorher abgeben, per Post, aber auch bei den Bezirkswahlbehörden - oder am 29. September zu Hause im Bett, wenn Sie gehunfähig sind und eine "fliegende Wahlbehörde" beantragt haben. Neu war auch die Möglichkeit eines individuellen "Vorwahltages".
Redaktion - mhi

Neun Listen österreichweit am Stimmzettel

Bei der Nationalratswahl stehen bundesweit neun Parteien auf den Stimmzetteln: ÖVP, SPÖ, FPÖ, GRÜNE, NEOS, KPÖ, BIER, Liste Petrovic und die Liste "KEINE" haben jeweils ausreichend unterstützte Wahlvorschläge eingereicht. Drei weitere Parteien konnten nur in einzelnen Bundesländern genug Unterschriften sammeln. Diese drei Parteien sind die als Coronamaßnahmen-kritische Partei bekannt gewordene MFG (in allen Bundesländern außer Burgenland und Kärnten), die "Liste Gaza" (in allen Bundesländern außer Kärnten und Salzburg) und "Die Gelben". Letztere treten nur im Burgenland an - mit dem ehemaligen FPÖ-Politiker Manfred Kölly an der Spitze.
APA/Hochmuth
Redaktion - mhi

Erste Wahllokale öffnen um 6 Uhr

Bei der Nationalratswahl sperren die ersten der 9.889 Wahllokale - wie schon bei der EU-Wahl - bereits um 6 Uhr auf, die meisten dann um 7 oder 8 Uhr. Wahlschluss ist in ganz Österreich spätestens um 17 Uhr, wobei man sich nur in Wien so lange für die Stimmabgabe Zeit lassen kann. Etwas sputen sollte man sich hingegen in Vorarlberg: Dort schließen alle Wahllokale spätestens um 13 Uhr. In allen anderen Bundesländern kann man teils bis 16 Uhr wählen.

Nach dem Wahlschluss werden die Stimmen ausgezählt und sobald vorliegend auch veröffentlicht. Erstmals wird - dank der Wahlrechtsreform 2023 - bei einer Nationalratswahl der Großteil der Briefwahlstimmen gleich am Sonntag mitausgezählt. Lediglich ein weiterer Teil folgt am Montag, ein kleinerer dann am Donnerstag.
APA/Schlager