Ralph Prendinger

Hans Peter Doskozil ist neuer SPÖ-Vorsitzender

Hans Peter Doskozil wird neuer Vorsitzender der SPÖ und damit auch Spitzenkandidat bei der nächsten Nationalratswahl. Am außerordentlichen Parteitag in Linz erhielt er 53 Prozent der Stimmen, 46,8 Prozent votierten für Gegenkandidat Andreas Babler.
Stimmenverteilung: 316:279.

In seiner ersten Rede als Vorsitzender schließt er gleich zu Beginn eine Koalition mit der FPÖ und etwas später auch mit der ÖVP aus. Er holt auch Andreas Babler auf die Bühne und lädt zur Zusammenarbeit ein.
Wir müssen jetzt zusammenfinden.
APA/Fohringer
grh

Doskozils Absage an ÖVP für Ludwig nur ein Vorschlag

Auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig reagiert skeptisch auf Doskozils Absage an eine Koalition mit der ÖVP. Doskozil habe "das jetzt einmal vorgeschlagen. Wie das dann in der weiteren Diskussion ausschaut, wird man noch sehen", sagte Ludwig im Interview mit Privat-TV-Sendern. Er selbst sei immer klar dafür eingetreten, eine Koalition mit der FPÖ auszuschließen. Das sei auch Beschlusslage in der Wiener SPÖ und der Bundespartei. "Alle weiteren Ausschließungen würde ich nicht vornehmen, denn niemand kann heutzutage abschätzen, wie viele Parteien in einem kommenden Nationalrat sein werden, welche Mehrheitsverhältnisse sich rechnerisch überhaupt ausgehen. Von daher würde ich da nicht zu viel ausschließen."
grh

Vorarlbergs rote Chefin kritisiert Doskozil wegen ÖVP-Absage

Doskozil sieht sich kurz nach seiner Wahl zum SPÖ-Chef Kritik aus einer roten Landespartei ausgesetzt. "Ich versteh's einfach nicht", meinte Vorarlbergs SPÖ-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger im APA-Gespräch angesprochen auf Doskozils Absage an eine mögliche Koalition mit der ÖVP nach der nächsten Wahl: "Dann werden wir aber in Schwierigkeiten kommen."

"Man sollte nicht so viel versprechen, was man dann nicht halten kann", sah Sprickler-Falschlunger die Aussicht auf die notwendigen Mehrheiten im Falle des Ausschließens einer Koalition mit der Volkspartei nicht gegeben. Auch ansonsten zeigte sich die Vorarlberger Vorsitzende, die Andreas Babler unterstützte, alles andere als angetan vom Sieg des burgenländischen Landeshauptmannes: "Ich bin schon enttäuscht". Wenngleich das Ergebnis angesichts der Unterstützung Doskozils durch große rote Bundesländer erwartbar war.

Nun müsse der Neo-Chef aber auch ein "deutlich besseres Ergebnis" bei der kommenden Nationalratswahl einfahren als seine Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner zuletzt. Schließlich könne es doch nicht sein, dass der Umsturz in der Parteiführung letztlich "nur aus Jux und Tollerei herbeigeführt wurde", sah die Landesvorsitzende, die ursprünglich Rendi-Wagner unterstützte, Doskozil unter Zugzwang.
Sophia

Politische Mitbewerber sehen Sozialdemokratie weiter gespalten

Nach der Kür Hans Peter Doskozils zum neuen Bundesvorsitzenden der Sozialdemokraten möge die SPÖ wieder zur Sachpolitik zurückkehren, appellierten Grüne und NEOS an die Partei. Für ÖVP, FPÖ und Pinke bleibt die SPÖ auch nach der Klärung der Führungsfrage weiterhin gespalten. Dass der burgenländische Landeshauptmann seine Politik im Land gerne auf Bundesebene umlegen würde, wird skeptisch gesehen.

Für ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker ist die SPÖ auch nach der Wahl Doskozils "tief gespalten". Der neue Parteichef hinterlasse in der SPÖ einen Scherbenhaufen, im Burgenland einen Schuldenberg. "Das alles heißt nichts Gutes für unser Land und für die Menschen in unserem Land", so Stocker in einer schriftlichen Stellungnahme.

Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer richtete Doskozil in ihrer Glückwunschadresse aus, die SPÖ solle nach Klärung der Führungsfrage wieder zu Sachpolitik zurückkehren und die Blockade jener Gesetzesvorhaben beenden, die eine Zweidrittel-Mehrheit im Nationalrat brauchen (u.a. Erneuerbare-Wärme-Gesetz, Informationsfreiheits- oder Verbotsgesetz). "Die SPÖ muss sich wieder auf ihre frühere Rolle als staatstragende Partei besinnen und an den Verhandlungstisch zurückkehren."

"Das Chaos in Rot geht munter weiter", kommentierte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz die "schwache Mehrheit" Doskozils. Damit bleibe die FPÖ die einzige stabile Kraft. Die Sozialdemokratie habe sich weit von den wirklichen Bedürfnissen der Bürger entfernt, das zeige sich auch in der Ausgrenzung der FPÖ, der sowohl Doskozil als auch sein Kontrahent der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler das Wort geredet hatten.

Auf eine Rückkehr der SPÖ zur Sachpolitik hoffte auch NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos, der Doskozil zwar zur Wahl gratulierte, das knappe Ergebnis aber ebenfalls als Beleg für eine Spaltung der Partei sah. Doskozil müsse jetzt rasch klarstellen, wofür die SPÖ steht, forderte er etwa eine Klarstellung zu Europafragen und dem Umgang mit den wirtschaftlichen Herausforderungen. "Das Modell der Doskozil-Verstaatlichungen im Burgenland wird Österreich jedenfalls nicht nach vorne bringen."
Ralph Prendinger

Wiens Bürgermeister Ludwig unter den Twitter-Gratulanten

Ralph Prendinger

Andreas Babler zeigt sich als fairer Verlierer

Ralph Prendinger

Porträt Hans Peter Doskozil - gewagt, gewonnen

Lange hat er gewartet, fast zu lange. Doch jetzt hat es Hans Peter Doskozil gerade noch geschafft, den Vorsitz der SPÖ zu erklimmen. Mit seinem Sieg am Parteitag von Linz hat der 52-Jährige zwei schwierige Aufgaben vor sich. Einerseits soll er die nächste Wahl gewinnen, andererseits die Partei einen, wobei letzteres gerade für Doskozil der mühsamere Job werden könnte.

Vorbehalte gegen den burgenländischen Landeshauptmann gibt es etliche. Das beginnt schon damit, dass er sich mit seinen Dauerangriffen gegen Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner den Ruf des Querschützen erworben hat. Doskozil gilt auch nicht unbedingt als Teamplayer. Was er anschafft, soll auch so geschehen, wird dem gelernten Exekutivbeamten und vormaligen Verteidigungsminister nachgesagt. Hinzu kommt noch, dass sein restriktiver Kurs in der Migrationsfrage den linken Parteiflügel seit jeher vor Zorn erbeben lässt.

Dass sich Doskozil bei den Delegierten trotz Stimmproblemen nach einigen Kehlkopfoperationen letztlich durchgesetzt hat, hängt wohl in erster Linie damit zusammen, dass man ihm als einzigem zutraut, in die Wählerschichten von ÖVP und FPÖ zu wirken. Auch wenn er sich auf eine Ampel festgelegt hat, sind zudem andere Konstellationen unter Einbindung der SPÖ mit ihm als Parteichef deutlich realistischer, als es das mit seinem Kontrahenten Andreas Babler gewesen wäre.

Der Südburgenländer soll auch das Amt des Parteivorsitzenden deutlich weniger angestrebt haben als die Spitzenkandidatur bei der kommenden Nationalratswahl, die ja ebenfalls am Samstag entschieden wurde. Kanzler werden und dann Österreich am burgenländischen Wesen genesen lassen, dürfte Doskozil Gedanke sein. Denn in der kleinen Welt seines Heimatbundeslands hat Doskozil, der seit seinem Wahltriumph vor drei Jahren absolut regiert, ordentlich umgerührt und das auch abseits bekannter sozialdemokratischer Rezepte.

Die Anstellung pflegender Angehöriger durch das Land sowie eine Offensive zum Kauf von Wohn-Eigentum sind dabei ebenso wenig rotes Allgemeingut wie der Vorstoß, einen Mindestlohn auch gesetzlich - sprich an den Sozialpartnern vorbei - durchzusetzen. Dass er die Arbeitszeitverkürzung mit Blick auf den Arbeitskräftemangel ablehnt, ist überhaupt ganz offen gegen die Parteilinie.

Eine Verständigung innerhalb der Partei scheint bei gutem Willen in all diesen Themenfeldern dennoch möglich. Schwierig wird es jedoch in der Migrationspolitik. Dort passt zwischen die Positionen zumindest von ÖVP und Doskozil kein Blatt Papier. Selbst die medial viel diskutierte Aufnahme von Kindern aus dem desolaten Flüchtlingslager Moria lehnte er ab. Doskozil will seinen Fokus auf den Außengrenzenschutz legen und Migration und Asylwesen strikt trennen.

Diese Positionierung hat vor allem in der ländlichen Bevölkerung dazu beigetragen, dass Doskozil als einer wahrgenommen wird, der die einfachen Menschen versteht - abgesetzt von einer abgehobenen Politik, wie sie zuweilen der Bundeshauptstadt zugeordnet wird. Auch wenn Doskozil bescheiden auftritt, hat er schon Sinn für einen gewissen Glamour-Faktor. Wirtschaftlich beraten lässt er sich von Altkanzler Christian Kern, mit dem er dereinst noch seine Sträuße ausgefochten hatte, kulturell spielt Alfons Haider als Zampano des burgenländischen Bühnenlebens die erste Geige. Privat ist diese Rolle übrigens seiner deutschen Frau Julia überlassen. Aus einer früheren Verbindung hat Doskozil zwei Kinder.

Nach oben gekommen ist er nicht durch eine Ochsentour durch die Partei sondern über Umwege. Im Süden des Burgenlands aufgewachsen trat er nach der Matura der Polizei bei und arbeitete sich dort bis zum Landespolizeidirektor seines Heimatbundeslandes hoch, wobei hierfür eine zwischenzeitliche Tätigkeit als Büroleiter des damaligen Landeshauptmanns Hans Niessls durchaus hilfreich gewesen sein dürfte.

Neben seinem Dienst bei der Exekutive absolvierte er berufsbegleitend ein Jus-Studium, kommunalpolitisch war er im Gemeinderat seiner Heimatgemeinde Grafenschachen aktiv. Doskozils erste große politische Stunde war mit einer Tragödie verbunden, dem Tod dutzender Flüchtlinge in einem Lastwagen auf der A4. Der Landespolizeidirektor agierte betroffen wie umsichtig und schaffte sich über die eigenen Bundesland-Grenzen hinweg Anerkennung. Dies galt umso mehr, als er unmittelbar danach den Flüchtlingsstrom 2015 in Nickelsdorf souverän managte.

Werner Faymann war auf Doskozil in der Flüchtlingskrise aufmerksam geworden und holte ihn als Verteidigungsminister in seine Bundesregierung. Der Neo-Ressortchef fremdelte mit seiner neuen Rolle keine Sekunde und schaffte sich im Ministerium schnell Freunde, umso mehr als er für das Heer mehr Geld herausholte und auch für dessen Image so einiges tat.

Als sich die SPÖ aus der Regierung verabschieden musste, ging es zurück in die Heimat. Niessl kürte Doskozil zu seinem Kronprinzen. Den Umweg als Landesrat für das Finanzressort hatte er noch zu überstehen, ehe ihn die Landespartei 2018 zuerst an ihre Spitze und im Frühling darauf in den Landeshauptmann-Sessel hob. Dieser schon paktierte Wechsel holte ihn damals auch aus dem Rennen um Christian Kerns Nachfolge als SPÖ-Vorsitzender. Das damals verpasste konnte er heute nachholen. Ob er sich auch bundespolitisch als Macher behaupten wird können, dürfte bei der Nationalratswahl im kommenden Jahr entschieden werden. Seinen Posten als Landeshauptmann wird Doskozil davor aufgeben.
Ralph Prendinger

Doskozil genießt mittlerweile hemdsärmelig den Sieg

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Ralph Prendinger

Es ist entschieden

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Der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler und seine Frau Karin Blum unmittelbar nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses im Rahmen eines außerordentlichen Bundesparteitages der SPÖ in Linz.
Ralph Prendinger

Doskozil als Parteichef "überwältigt"

Es ist auch mein Lebenstraum, an der Spitze der Sozialdemokratie stehen zu dürfen.
In seiner Siegesrede, bei der er anfangs fast nicht zu seiner Stimme fand, zeigte sich Doskozil "überwältigt". Seinen unterlegenen Widersacher Babler bat er auf die Bühne, es gab einen Handshake und eine flüchtige Umarmung, was bei den Delegierten für Jubel und Standing Ovations sorgte. Doskozil dankte dem "lieben Andi" umgehend dafür, dass er zu diesem "symbolischen Schritt des aufeinander Zugehens" bereit gewesen sei.
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Die weiteren Ziele sparte er nicht aus. Er wolle die SPÖ zum "Non plus ultra für die nächsten Wahlen machen". Und auch ein Versprechen gab der burgenländische Landeshauptmann gleich ab: "Es wird, sollten wir die Wahl gewinnen, möglicherweise Erster werden, es wird keine Koalition mit der Freiheitlichen Partei geben." Die FPÖ habe die Bevölkerung gespalten, ob beim Asyl- oder beim Corona-Thema: "Das geht sich nicht aus."

Und auch für die Volkspartei gab es eine Absage. "Auch das will ich in Angriff nehmen: Keine Koalition mit der ÖVP." Er habe diese im Burgenland und im Bund erlebt, mit allen Tricksereien immer nur am Machterhalt interessiert. "Wir öffnen ihnen jetzt nicht mehr die Tür. Wir müssen so stark werden, dass wir diese Dreierkoalition schaffen", sagte er zur von ihm angestrebten Regierung aus SPÖ, Grünen und NEOS.
Ralph Prendinger

Doskozil ist der dreizehnte SPÖ-Parteichef

Hans Peter Doskozil ist der dreizehnte Parteichef der SPÖ. Vor ihm gab es bisher elf männliche und mit Pamela Rendi-Wagner eine weibliche Vorsitzende. Letztere trat beim Sonderparteitag am Sonntag, dem 3. Juni, nicht mehr an, nachdem sie in der Mitgliederbefragung um Obmannschaft und Spitzenkandidatur nur auf Platz drei hinter dem burgenländischen Landeshauptmann Doskozil und dem Traiskirchner Bürgermeister und Bundesrat Andreas Babler gelandet war.

Am längsten im Amt in der Geschichte der österreichischen Sozialisten bzw. Sozialdemokraten war Bruno Kreisky mit mehr als 16 Jahren. Dahinter folgt Adolf Schärf, der nach dem Zweiten Weltkrieg zwölf Jahre an der Spitze stand. Kürzest dienender SPÖ-Vorsitzender ist Christian Kern mit seinen gut zwei Jahren im Amt. Unter einer vierjährigen Periode blieb sonst nur noch Viktor Klima.
Ralph Prendinger

Chronologie des Konflikts um die Parteispitze

Der Kür von Hans Peter Doskozil zum neuen SPÖ-Chef ging ein lang schwelender Konflikt zwischen ihm und seiner Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner voraus. Doskozil galt von Anfang an als deren Kritiker und befeuerte den Konflikt schon kurz nach ihrer Kür zur SPÖ-Chefin nach dem überraschenden Rücktritt von Ex-Kanzler Christian Kern. Im Zuge der Mitgliederbefragung wurde aus dem Duell ein Dreikampf mit dem Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler.

22. September 2018:
Rendi-Wagner wird als neue SPÖ-Chefin designiert. "Könnte sie Opposition nicht, würden wir sie nicht heute zur Parteivorsitzenden designieren", kommentiert Doskozil, der von Beginn an als Rendi-Skeptiker gilt, ihre Kür damals. Beim Parteitag Ende November erhält Rendi-Wagner 97,8 Prozent der Delegiertenstimmen, der in Umfragen beliebte Doskozil schneidet mit 82,3 Prozent unter ihren Stellvertretern am schwächsten ab.

Dezember 2018: Doskozil richtet der Bundespartei am Beispiel Mindestsicherung aus, sie solle eine "konstruktivere Oppositionspolitik" fahren. Auch danach sorgt er mit öffentlichen Wortmeldungen etwa zur Sicherungshaft in der Partei für Konfliktstoff.

2. März 2019: Beim Landesparteitag der Tiroler SPÖ fordert Rendi - auch in Richtung Doskozil - Geschlossenheit in der Partei ein. Der kündigt aber gleich an, seine Meinung weiterhin zu äußern, wenn er es als "richtig" erachtet - und das tut er in der Folge häufig.

November 2019: Nach dem schlechten Abschneiden der SPÖ nicht nur bei der Nationalratswahl erklärt Doskozil die SPÖ für "nicht regierungsfähig". Nach Gerüchten über die Ablöse der Bundesparteivorsitzenden fordert er ein Ende der Personaldebatte, betont aber gleichzeitig: "Erst kommt die inhaltliche Diskussion, und dann kann man am Ende des Prozesses noch einmal offen und ehrlich die Personalfrage stellen."

Jänner 2020: Im Vorfeld der burgenländischen Landtagswahl zieht Doskozil wieder gegen die "thematisch passive" Bundes-SPÖ vom Leder. Nach seinem Erdrutsch-Sieg legt er der Bundes-SPÖ noch am Wahlabend nahe, ihre Linie etwa bei der Sicherungshaft zu überdenken, und tritt damit die nächste Führungsdebatte los.

6. Mai 2020: Rendi-Wagner versucht einen Befreiungsschlag durch eine Mitgliederbefragung und bekommt 71,4 Prozent Zustimmung. Nur zwei Monate später schließt Doskozil eine Nationalrats-Spitzenkandidatur lediglich "derzeit" aus. "Man kann nie wissen, was politisch passiert."

19. September 2020: Doskozil macht gegen die Linie der Parteichefin, Flüchtlingskinder aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria aufzunehmen, mobil.

16. April 2021: Rendi-Wagner kritisiert Doskozil, der schon länger für einen Kurswechsel bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie plädiert hat, ungewöhnlich scharf für das vorgezogene Ende des Ostregion-Lockdowns.

 
26. April 2021: Doskozil zieht sich aus dem Parteipräsidium zurück, damit wolle er "einen Neustart ermöglichen".

26. Juni 2021: Der Bundesparteitag wird zum Debakel für Rendi-Wagner. Sie erhält bei ihrer Wiederwahl lediglich 75,3 Prozent der Delegiertenstimmen und überspringt damit nur relativ knapp die von ihr ohnehin niedrig gelegte Latte von 70 Prozent. Weitere Negativ-Schlagzeilen bringt, dass der Parteitag abgebrochen werden muss, da nicht mehr ausreichend Delegierte anwesend sind. So können geplante Statutenänderungen nicht mehr beschlossen werden.

20. Juli 2021:
Kärntens SPÖ-Parteichef Landeshauptmann Peter Kaiser lädt Rendi-Wagner und Doskozil zum Versöhnungsgespräch nach Kärnten.

November 2022: Die SPÖ Burgenland sorgt mit einer von ihr beauftragten Umfrage für Aufsehen, in der auch abgefragt wird, wie die SPÖ bei einer bevorstehenden Nationalratswahl mit Doskozil als SPÖ-Kanzlerkandidat im Vergleich zu Rendi-Wagner abschneiden würde. SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst betont zwar, man habe nur Doskozils Inhalte abfragen wollen. Wenig später wirbt er aber in einem Interview offen für Doskozil als Bundeskanzler und bringt eine Befragung der SPÖ-Mitglieder ins Spiel.

Frühjahr 2023: Nach den Verlusten der SPÖ bei den Wahlen in Niederösterreich nimmt die Debatte um Rendi-Wagner - befeuert durch Aussagen Doskozils, dass die SPÖ mit der aktuellen Führung nicht ihr volles Wählerpotenzial ausschöpfe - weiter an Fahrt auf. Als Rendi-Wagner Doskozil ersucht, Anfang März "angesichts der aktuellen Situation" am SPÖ-Präsidium teilzunehmen, sagt dieser zu - um dort "Zukunftsperspektiven für die Sozialdemokratie" zu diskutieren.

14. März 2023: Doskozil legt sich fest und gibt bekannt, dass er sich um den Vorsitz der Bundes-SPÖ bewerben will. Die jahrelangen Querschüsse gegen die Bundesvorsitzende relativiert er in seinem Bewerbungsbrief: Es gehe dabei nicht um einen "Rosenkrieg", sondern "um die Frage, mit welchen konkreten Programmen und Maßnahmen wir als SPÖ auf die konkreten Sorgen der Menschen in Österreich reagieren wollen".

15. März 2023: Der SPÖ-Vorstand beschließt, dass eine Mitgliederbefragung zur künftigen Parteispitze abgehalten werden soll. Endgültig entschieden werden soll die Führungsfrage bei einem Parteitag. Dabei soll sich, wie später in einem mühsamen Prozess entschieden wird, jedes Parteimitglied bewerben können, das 30 Unterstützungserklärungen vorlegen kann. Die Mitgliederzahlen der SPÖ steigen in der Folge von knapp 140.00 auf 148.000.

23. März 2023: Der vor allem von der Parteilinken hofierte Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler gibt seine Kandidatur bekannt. Der Wiener SPÖ-Politiker und frühere Leiter der "Sektion 8", Nikolaus Kowall, der mit seiner Kandidatur Druck für eine Öffnung der Mitgliederbefragung gemacht hatte, zieht daraufhin seine Bewerbung zurück.

11. April 2023:
Von den ursprünglich 73 Kandidaturen - darunter auch etwa Ex-BZÖ-Politiker Gerald Grosz - sind nur noch Rendi-Wagner, Doskozil und Babler im Rennen. Während Grosz abgelehnt wurde, haben andere Bewerber die Hürde von 30 Unterstützungserklärungen nicht geschafft oder ihre Kandidatur wieder zurückgezogen. 
 
24. April 2023: Die bis 10. Mai laufende Mitgliederbefragung beginnt und wird von parteiinternem Wahlwerben, zahllosen Medienauftritten und einem Schaulauf (mehr oder weniger prominenter) Unterstützerinnen und Unterstützer begleitet. Eine Stichwahl ist in diesem Dreikampf nicht vorgesehen, eine bindende Personalentscheidung soll erst auf einem Sonderparteitag am 3. Juni fallen. Während Babler dort auch kandidieren will, wenn er nicht Erster wird, schließt seine Konkurrenz das aus. Rendi-Wagner will, sollte sie nicht Erste werden, die Politik verlassen.

14. Mai 2023: Nach Ende der Abstimmung eskaliert der schon länger schwelende Konflikt um die für die Mitgliederbefragung verantwortliche Wahlkommission, deren Leiter Harry Kopietz kurz davor gesundheitsbedingt zurückgetreten war. Das Lager des burgenländischen Landeshauptmanns Doskozil, in dem sich etliche Bundesländer-Vertreter befinden, vermisst Transparenz im Wahlprozess. Das vor allem von Wien repräsentierte Lager von Amtsinhaberin Rendi-Wagner, das bis vor Kurzem mit Kopietz den Wahlleiter stellte, weist das hingegen zurück. Unter der neuen Leiterin der Kommission Michaela Grubesa aus dem Doskozil-Lager wurde nun per Umlaufbeschluss die Beiziehung "unabhängiger Informatiker" entschieden - für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, der dem Rendi-Lager angehört, ist das allerdings aus Formalgründen gar nicht möglich. Unter Grubesa wurde außerdem entschieden, dass alle Teams Wahlzeugen für den gesamten Auszählungsprozess nominieren können.

22. Mai 2023:
Bekanntgabe des Ergebnisses der Mitgliederbefragung nach Auswertung der Fragebögen durch die interne Wahlkommission: Doskozil erhielt 33,7 Prozent der Stimmen. Babler holte 31,5 Prozent, Rendi-Wagner 31,4 Prozent. 3,5 Prozent waren gegen alle drei Optionen.

23. Mai 2023: Rendi-Wagner gibt bekannt, dass sie nach ihrer Niederlage bei der Mitgliederbefragung nicht am SPÖ-Parteitag antreten wird. Am gleichen Tag fällt auch der Beschluss, dass die Entscheidung über den Parteivorsitz auf einem außerordentlichen Parteitag fallen wird. Versuche von Babler und der Wiener Landespartei, doch noch eine Stichwahl unter den Mitgliedern durchzuführen, werden vom Parteivorstand abgeblockt.

25. Mai 2023: Rendi-Wagner gibt ihr komplettes Aus aus der Politik bekannt. Die scheidende SPÖ-Chefin kündigt an, auch ihr Mandat im Nationalrat zurückzulegen - spätestens mit Ende Juni.

31. Mai 2023: Christian Deutsch erklärt - wie erwartet - seinen Rückzug als Bundesgeschäftsführer der SPÖ mit dem außerordentlichen Parteitag am 3. Juni. Gleichzeitig sorgte ein Video aus dem Jahr 2020 mit Äußerungen Bablers zur EU für Aufsehen. Darin bezeichnete der Traiskirchener Bürgermeister die Union etwa als das "aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat". Babler verteidigt sich: Seine Formulierung "mag überzogen sein", aber anstatt über "semantische Spitzfindigkeiten" zu diskutieren, "sollten wir besser darüber sprechen, wie wir die EU sozialer und bürgernäher gestalten können".

1. Juni 2023: Letzte Rede von Rendi-Wagner im Nationalrat. Die scheidende SPÖ-Chefin wirbt dabei für Zusammenarbeit aller Parteien. Indirekt spricht sie auch den Führungskonflikt in der eigenen Partei an: "Es braucht ein neues Verständnis von politischer Führungsstärke, das sich nicht nur in der Bewunderung männlicher Machtrituale erschöpft."

3. Juni 2023: Hans-Peter Doskozil wird am Sonderparteitag in Linz mit 53 Prozent der Stimmen zum neuen SPÖ-Vorsitzenden gewählt, Andreas Babler unterliegt mit 46,8 Prozent. 
Ralph Prendinger

Die Spannung steigt

In Kürze wird das Ergebnis verkündet
Ralph Prendinger
Ralph Prendinger

Doskozil vs. Babler in Zitaten

DOSKOZIL:
"Man kann fragen, ob es richtig ist, ihn auf diese Art und Weise zu führen. Aber er ist zu führen." - Für Hans-Peter Doskozil geht es um den Kampf um Inhalte.

"Gehen wir doch einen gemeinsamen Weg" - Doskozil zu Kritik, er umgehe mit seiner Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn die Gewerkschaften.

"Einigen wir uns kollektivvertraglich, weil sonst gibt es einen verrückten Burgenländer, der setzt den Mindestlohn um", so sein Aufruf.

"Die Stimme funktioniert" - versprach der stimmlich seit Jahren angeschlagene Burgenländer.

"Warum betreibt ein privates Unternehmen ein Pflegeheim? Weil sie Gewinn machen wollen" - Pflege dürfe nur gemeinnützig stattfinden, so eine der Forderungen.

"Ich nehme auch für mich in Anspruch, dass wir im Burgenland - und jeder weiß, wen ich meine, was ich meine - keine Inserate mehr schalten mit einem gewissen Medium, ich keine Interviews gebe bei einem gewissen Medium, weil ich ganz einfach nicht mitkann mit dem Auftreten, mit der Frage, wie werden Inserate gekeilt und weil ich nicht mitkann mit der sexistischen Haltung." - Durchaus medienkritisch will Doskozil nicht alles hinnehmen, besonders nicht in Sachen Frauenverachtung.

"Was ich für alle Parteien im Bund ausschließen werde, ist das Verbot von Spenden an politische Parteien." - Und auch über eine "sehr, sehr progressive Wahlkampfkostenobergrenze" will Doskozil reden.

"Es ist keine schöne Zeit, aber es ist die unsere Zeit." - Zum Abschluss bemühte Doskozil ein abgewandeltes Zitat des französischen Philosophen Jean Paul Sartre.

"Liebe Genossinnen und Genossen, machen wir es zu einer schönen Zeit, machen wir es zu unserer Zeit. Es lebe die österreichische Sozialdemokratie, Freundschaft".

BABLER:
"Ich bin nicht Teil dieser Verwundungen (...), ich habe ganz bewusst außerhalb dieses Streits eine Entscheidung getroffen, mich zu dieser Wahl zu stellen" - Babler will nicht an Rendi-Wagners Demontage mitverantwortlich sein.

"Fünf Finger sind eine Faust" - Babler erinnerte mehrmals an den "Gründungsmoment" der Sozialdemokratie.

"Wir sind keine Bittsteller." - "Wir sind ein offensives Gegenmodell, wir kämpfen um die Rechte, die uns zustehen" - und zwar "Seite an Seite mit den Gewerkschaftern".

"Auch Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter sind keine Bittsteller. Das sind unsere Leute." - Deswegen kämpfe man auch um Mitbestimmungsrechte derselben.

"Es ist eine knallharte Verteilungsfrage." - Auch bei der "Erderhitzung" seien die Sozialdemokraten "keine Bittstellerinnen und Bittsteller", sondern "Seite an Seite mit allen Wissenschaftlern und Aktivisten".

"Träumer, das ist ein anderes Wort für Sozialdemokratie." - Denn auch Gemeindebauten, der Acht-Stunden-Tag, die vierte und fünfte Urlaubswoche, Mutterschutz und gratis Schulbücher seien "Hirngespinste" gewesen - "bis wir sie verwirklicht haben. Das ist alles nicht vom Himmel gefallen."

"Solange wir auch über Asyl, Balkanrouten, Ausländer reden, dann schießt die FPÖ die Tore. Reden wir über Solidarität, Gerechtigkeit, dann gewinnen wir das Match." - Denn: "Wenn wir den Ball haben, dann schießt der Gegner kein Tor."

"Dass man Wahlen gewinnen kann, wenn man den Ball führt und eine offensive Sozialdemokratische Politik macht, das zeigen wir in unserer Stadt, wo die Ausgangslage für die FPÖ gar nicht besser sein könnte", etwa aufgrund des größten Flüchtlingslagers in Österreich in Traiskirchen.

"Wir müssen so stark sein, so klar die Nummer Eins sein, dass sich die anderen für uns koalitionsfähig machen müssen. Wir definieren uns über unsere Stärke und nicht über die der anderen."